FULDA, 07.03.2019 - Für viele Paare, die von einer Trennung betroffen sind, ist eine neue Partnerschaft ein zentrales Ereignis, das die endgültige Bewältigung einer Krise einläutet. Der Blick ist wieder nach vorne gerichtet, der Partner/die Partnerin schließt eine Lücke im Leben, und die neue Liebe stärkt das eigene Selbstwertgefühl.
Doch ein neuer Partner bringt auch einiges durcheinander und muss sich in ein bestehendes System einfügen. Besonders, wenn Kinder betroffen sind, müssen die Beteiligten eine Reihe von Anpassungsprozessen leisten, damit das neue System funktionieren kann. Mit der Perspektive von Kindern in Patchwork-Familien hat sich Reinhard Baumann von der Beratungsstelle für Kinder, Eltern und Jugendliche des Landkreises Fulda beschäftigt.
„Kinder in Patchwork-Familien haben etwas zu verlieren.“ Das merke man daran, dass sie sich oft bockig oder undankbar dem neuen Partner gegenüber verhielten, selbst wenn dieser sich um sie bemühe. Häufig würden sie einfach ins neue System mit übernommen, seien nicht die Gestalter der Veränderungen, könnten kaum Einfluss nehmen. Auch verlören sie mit dem Einzug des neuen Partners die Hoffnung auf eine Versöhnung der Eltern.
Für Kinder stehe also viel auf dem Spiel, gibt der Diplom-Sozialpädagoge zu bedenken: „Sie sind verunsichert, auch weil die Beziehungen der neuen Familie zunächst instabil sind, sich verlässliche Alltagsroutinen verändern, und sie vielleicht erneut Verluste befürchten.“ Ein Umzug, eine größere räumlichen Distanz zum anderen Elternteil, ein Schulwechsel oder der Verlust von Freunden könnten diese Verunsicherung noch verstärken.
In aller Regel sei der neu verliebte Elternteil weniger für das Kind verfügbar, weil auch die neue Partnerschaft Zeit benötige. Der Einflussbereich der Kinder in der Familie werde mit dem neuem Partner geringer, denn auch dieser bringe sich bei Entscheidungen ein, zum Beispiel in Fragen der Freizeitgestaltung, bei neuen Anschaffungen, oder er bringe selbst Kinder mit in die Familie. Und manchmal hege das neue Paar schon bald einen eigenen Kinderwunsch.
„Nicht selten halten sich Kinder zunächst zurück, äußern keine eigenen Bedürfnisse, wollen dem Glück eines Elternteils nicht im Wege stehen“, hat Reinhard Baumann beobachtet. Oder Kinder würden stellvertretend die vermeintlichen Interessen ihres getrennt lebenden Elternteils vertreten und opponieren. Fast alle Kinder zeigten in dieser Phase deutliche Hinweise auf Belastungen.
Ein Patchwork-Familienleben könne gelingen, wenn jeder „bunte Flicken“ seinen Platz finde, im eigenen Tempo und mit verständnisvoller Unterstützung der Erwachsenen. „Wenn Erwachsene das Zusammenfinden in einer neuen Familie als etwas verstehen, was Zeit braucht, nicht einfach organisiert werden kann, wenn Eltern auch mal Ziele verändern können, damit jeder mitkommt, dann wird aus den bunten Flicken bald ein farbenfroher Teppich.“
Reinhard Baumann rät den betroffenen Eltern:
Machen Sie Ihrem Kind deutlich, dass Sie es lieben und immer für es da sind.
Sie alleine können das Tempo des Zusammenwachsens nicht bestimmen, geben Sie Ihrem Kind Zeit.
Ihr Kind hat das Recht, auch keine enge Beziehung zu Ihrem neuen Partner aufzubauen.
Ihr Kind entscheidet aber auch nicht darüber, ob Sie einen neuen Partner haben dürfen.
Geben Sie den Bedenken Raum, hören Sie diese in Ruhe an, nehmen Sie Befürchtungen und Ängste Ihres Kindes ernst, halten Sie nicht vorschnell dagegen.
Sprechen Sie mit dem Kind, was es von Ihrem Partner erwartet und was es von ihm nicht möchte.
„Familienkonferenzen“ können dabei helfen, Absprachen zu treffen, die für die Organisation der der Patchwork-Familie notwendig sind.
Der neue Partner wird niemals einen Elternteil ersetzen, selbst wenn Ihr Kind „Mama“ oder „Papa“ zu ihr/ihm sagt.
Achten Sie darauf, dass Ihr Kind weiter guten Kontakt mit dem nicht anwesenden Elternteil hat.
Kontakt
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