FULDA. Die Region Fulda ist bei den Gesundheitsstandorten in Hessen ganz vorne dabei. Sie bietet nach den Worten von Gesundheitsdezernent Frederik Schmitt (CDU) „internationale Spitzenmedizin“. Und sie besitzt mit dem Klinikum Fulda, dem Herz-Jesu-Krankenhaus, der Helios St. Elisabeth Klinik Hünfeld sowie dem Klinikum Gersfeld gleich vier Häuser. Hinzu kommen zwei private Kliniken, mehrere medizinische Versorgungszentren (MVZ) und im Bereich der niedergelassenen Ärzte ein differenziertes und leistungsfähiges Angebot.
Rund 8000 Personen und damit etwa jeder zehnte sozialversicherungspflichtige Beschäftigte im Landkreis Fulda sind im Kern-Gesundheitsbereich tätig. Zu dem gehören neben klinischen Versorgungsangeboten unter anderem Ärzte-Niederlassungen, Augenoptiker, Hörakustiker, Einrichtungen der Altenpflege und -betreuung sowie therapeutische Angebote. Zum Vergleich: Insgesamt gibt es nach Angaben der Kreisverwaltung zurzeit 95 000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte im Landkreis Fulda. Nach Ansicht von Frederik Schmitt stehen die Zeichen aufgrund eines steigenden Gesundheitsbewusstseins aber auch aufgrund des demographischen Wandels auf Wachstum. Größte Zukunftsherausforderung dabei werde die Fachkräftesicherung von medizinischem Personal und die ärztliche Versorgung auf dem Land sein, erklärte der 41-jährige Jurist. Über Details gab uns Schmitt im nachfolgendem Interview Auskunft.
Wie gut ist der Gesundheitsstandort Fulda denn aus Ihrer Sicht entwickelt?
Wir haben eine erstklassige Versorgung im klinischen Bereich. Sowohl im Zentrum Fulda als auch im ländlichen Raum ist unsere Lage eine gute. Allein der Einzugsbereich des Klinikums Fulda, das Maximalversorger und zahlenmäßig größter Arbeitgeber der Region ist, liegt bei rund einer halben Million Menschen. Die Strahlkraft reicht somit weit über die Landkreis-Grenzen hinaus und schließt unter anderem Teile des Vogelsbergkreises sowie des Landkreises Hersfeld-Rotenburg mit ein.
Wie sieht es außerhalb des klinischen Bereichs aus?
Für die Versorgungslage ist die gute Arbeit der niedergelassenen Ärzte ganz entscheidend. Ein wichtiger Partner ist für mich das Gesundheitsnetz Osthessen (GNO) – ein Verbund von circa 150 Ärzten, die in regelmäßigen Treffen und Fortbildungen einen fachübergreifenden Austausch führen. Gemeinsames Ziel von allen Akteuren ist die Verbesserung einer sektorenübergreifenden Versorgung für die Patienten. Gemeinsamer Maßstab ist ein maximaler Qualitätsanspruch.
Pluspunkte, die unseren Gesundheitsstandort von anderen Regionen unterscheiden?
Die Vielzahl an Arbeitgebern und Arbeitsplätzen auch im Gesundheitsbereich ist in wirtschaftlicher Hinsicht ein wichtiger Resilienzfaktor, der uns von anderen Regionen unterscheidet, die im Wesentlichen von einem oder wenigen großen Arbeitgeber abhängen.
Mit der Aufwertung des Fulda-Stipendiums, mit dem angehende Ärzte an die Region gebunden werden sollen, haben Sie ein wichtiges Signal gesetzt.Wo sehen Sie noch Möglichkeiten, Humanmediziner nach Fulda zu locken?
Hier ragt sicher das Gemeinschaftsprojekt mit der Philipps-Universität Marburg heraus. Die Idee ist, dass Studenten, die in den ersten vier Semestern in Marburg waren, den klinischen Teil ihres Studiums möglichst ab dem 5. Semester am Klinikum Fulda absolvieren – in Kooperation mit der Hochschule Fulda. Hiervon erhoffen wir uns das Einsetzen eines „Klebeeffekts“ – studierender Ärztenachwuchs lernt während der Zeit in Fulda vielleicht einen Partner kennen, bleibt nach dem Studium eher hier und lässt sich später als Arzt nieder. Wenn das gut funktioniert, ist dies ein großer Meilenstein für das Thema Ärzteversorgung.
Das ist ein gutes Stichwort: Wie ist es denn bei uns um die ärztliche Versorgung auf dem Land bestellt?
Die für diese Frage primär zuständige Kassenärztliche Vereinigung spricht sogar von einer Überversorgung bei uns, hat dabei aber natürlich eher statistische Zahlen und die Gesamtmedizinerzahl, nicht aber die Altersstruktur der Ärztinnen und Ärzte im Blick. Viele Hausärzte, die sich noch fit fühlen, arbeiten heute schon länger. Aber natürlich können auch sie dies nicht ewig tun. Hausarztpraxen auf dem Land, für die keine Nachfolger gefunden werden, zu erhalten und weiterzuführen, wird in jedem Fall eine anspruchsvolle Daueraufgabe sein. Punktuell gibt es zum Glück immer wieder Lichtblicke und Erfolge. So ist zum Beispiel in Poppenhausen und Ebersburg mit Unterstützung der Bürgermeister die Gründung eines MVZ geglückt. In Ehrenberg ist es gelungen, dass die Praxis an zwei Nachfolger übergeben werden konnte. In Gersfeld konnten wir die frauenärztliche Versorgung erhalten. Und auch in Eiterfeld wurde mit einer Gemeinschaftspraxis eine Lösung gefunden. Das sind zunächst immer wieder einzelne Erfolge, aber in Summe gesehen sind es Ergebnisse, die Mut machen und zeigen, dass verschiedene Pfade zum Ziel führen.
Ein sensibles Thema, das immer wieder für Diskussionen sorgt, ist der Pflegebereich. Wie schätzen Sie die aktuelle Situation im Landkreis ein?
Wir haben eine Vielzahl an guten Pflegeschulen und eine leistungsfähige Infrastruktur stationärer Pflegeeinrichtungen und ambulanter Dienstleister. Wichtig ist, dass wir möglichst viele junge Leute für diesen verantwortungsvollen Beruf gewinnen. Hierbei war die Entscheidung, die Ausbildung in der Alten- und Krankenpflege zu generalisieren, eine Sache, die sicher hilfreich ist. Man muss sich nicht mehr gleich zu Beginn der Ausbildung für einen Schwerpunkt entscheiden, sondern kann in deren Verlauf herausfinden, was einem am meisten liegt. Unsere ersten erfreulichen Rückmeldungen sind, dass sich tatsächlich mehr Personen für die generalisierte Ausbildung bewerben als in den Berufsbildern zuvor. Wir müssen dennoch einige weitere Schritte unternehmen.
Die da wären …?
Da wäre zum Beispiel die Ausbildungsbegleitung in der Pflege zu nennen. Das ist ein Projekt, das an dem von mir vor vier Jahren ins Leben gerufenen „Pflegetisch“ entstanden ist, bei dem die verschiedensten Akteure aus dem Pflegebereich aktuelle Themen besprechen und sich austauschen. Schätzungen zufolge haben in Vergangenheit in Osthessen zwischen 5 bis 10 Prozent der Auszubildenden aus den unterschiedlichsten Gründen ihre Ausbildung in der Pflege abgebrochen. Um dies zu vermeiden, haben wir ein Projekt initiiert, bei dem sich Pflegeschüler mit psychosozialem Unterstützungsbedarf an zwei Mitarbeiter wenden können. Daneben arbeiten wir zusammen mit RIGL-Fulda (Regionales Innovationszentrum Gesundheit und Lebensqualität), dem bisher größten Transferprojekt der Hochschule Fulda, an dem Thema der Gewinnung ausländischer Fachkräfte. Hier wissen wir, dass es keineswegs reicht, die richtigen Personen anzuwerben, sondern wir müssen uns gezielt um die Integration kümmern.
Man hört dennoch immer wieder, dass der Markt an Pflegekräften wohl aktuell wie leergefegt ist …
Gänzlich wird man den Personalmangel weder im Bereich der Ärzte noch im Bereich der Pflege beseitigen können. Man muss beziehungsweise darf sich über Erfolge im Kleinen freuen. Projekte wie die Ausbildungsbegleitung in der Pflege, das Fulda-Stipendium oder das Projekt „Landpartie Fulda“, bei dem Medizinstudenten in hausärztliche Praxen auf dem Land gezielt hineinschnuppern, docken aber sicher schon an den richtigen Stellen an.
Spätestens seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie wissen wir, wie wichtig Gesundheitsämter sind. Gab es eigentlich für das hiesige Amt Verstärkung personeller Art?
Die gab es tatsächlich. Es sind Stellen hinzugekommen, sodass mittlerweile circa 70 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gesundheitsamt beschäftigt sind. Wobei uns, als die Hochphase der Pandemie zu bewältigen war, zahlreiche Mitarbeitende aus anderen Bereichen der Verwaltung geholfen haben, ohne die wir das Riesenpensum sicher nicht hätten bewältigen können.
Gibt es neben den originären Kernaufgaben des Gesundheitsamtes als Aufsichtsbehörde für die öffentliche Gesundheit Bereiche, die ausgebaut worden sind?
Da wäre in jedem Fall das Thema Gesundheitsberichterstattung zu nennen. Hier schauen sich unsere Fachleute immer wieder einzelne Themenbereiche an und eruieren, wo Verbesserungen möglich wären. Zum Beispiel haben wir uns vor zwei Jahren sehr intensiv das Thema Schnittstelle zwischen Altenheimen und Rettungsdienst angeschaut. Es ging um Fragen wie: Wie arbeiten wir besser zusammen? Wie können vom Patienten nicht gewollte Krankenhauseinweisungen vermieden werden? Welche Dokumente müssen zu jeder Zeit immer schnell greifbar sein?
Themenwechsel: Jüngere WHO-Studien weisen auf gesundheitliche Gefahren durch vermeintlichen Bewegungsmangel im Kindheitsalter hin. Wie aktuell ist dieses Thema für Osthessen?
Für die Bewegungsförderung wird in unserer Region wirklich jede Menge getan. Hauptträger der Bewegungsförderung sind, das muss man klar sagen, die Vereine. Der Landkreis Fulda stellt jährlich fast 800 000 Euro für die Sportförderung bereit. Nicht zu vergessen sind die 44 Sporthallen, die vormittags von den Schulen und nachmittags sowie abends von den Vereinen genutzt werden. Allein für die Zeit, in denen die Hallen von den Vereinen genutzt werden, bringt der Kreis jährlich zwei Millionen Euro für die Unterhaltung der Hallen auf. Der Kreistag hat aktuell außerdem beschlossen, für die Förderung der Jugendarbeit in den Vereinen weitere 500 000 Euro bereitzustellen. Der Kreis fördert immer wieder größere Investitionen, wie in jüngerer Vergangenheit beispielsweise die Skirollerbahn in Gersfeld oder Kunstrasenplätze in Eiterfeld und Hilders. Der Talent- und Bewegungscheck, den wir seit zwölf Jahren durchführen, zeigt ermutigende Ergebnisse. Hierzu werden Schüler von allen zweiten Klassen über die jeweiligen Schulen eingeladen, um Übungen auf verschiedenen Parcours zu absolvieren. Am Ende bekommen die Kinder eine individuelle Rückmeldung und eine Empfehlung, für welche Sportart sie besonders geeignet sind.
Und wie fit und vital ist unser Nachwuchs?
Aus internationalen wissenschaftlichen Erhebungen und Vergleichen, die die Hochschule Bayreuth auf Grundlage von ähnlichen Bewegungs-checks wie in Hessen anstellt, wissen wir, dass die Daten der Fuldaer Kinder immer deutlich besser als der Deutschland-Schnitt sind. Wir haben vor vielen anderen Ländern die Nase vorn, darunter China. Das liegt an der Vielzahl der Sportvereine im ländlichen Raum. Man darf außerdem nicht vergessen, dass beispielsweise auch in Kinder- und Jugendfeuerwehren jede Menge gerannt wird und es dort Spaß an Bewegung gibt. Je urbaner, sprich städtischer, es dagegen wird, umso mehr Bewegungsmangel entsteht. Was für Kinder gilt, das trifft natürlich auch für die Erwachsenen zu: Sport im Verein ist die beste Gesundheitsvorsorge. Daneben erkennen immer mehr Arbeitgeber die Bedeutung des Themas und intensivieren in ihr betriebliches Gesundheitsmanagement.
An der Stelle sei die Frage gestattet, wie sich der Gesundheitsdezernent selbst privat fit hält?
Ich spiele tatsächlich mit Leidenschaft Fußball in meinem Heimatverein, der SG Steinau, die mit Steinhaus eine Spielgemeinschaft im Bereich Alte Herren bildet. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass es mir ohne die feste Trainingszeit wesentlich schwerer fallen würde, regelmäßig Sport zu treiben. Früher habe ich noch Tennis gespielt, heute sind in meiner Freizeit neben dem Fußball eher Laufen, Joggen und Wandern angesagt. Am besten funktioniert das natürlich in der Familie.
Das Interview führte Mirko Luis (Mediengruppe Parzeller).
ZUR PERSON
Frederik Schmitt ist seit 15. August 2015 hauptamtlicher Erster Kreisbeigeordneter des Landkreises Fulda. Zugleich ist er zuständiger Gesundheitsdezernent und Vorsitzender der Gesundheitskonferenz Osthessen. Der 41-jährige Rechtsassessor wohnt in Fulda, ist verheiratet und Vater von drei Kindern.